liegende Stifte

Writing Fellows

Eine Projektidee
liegende Stifte
Foto: Paula Willert
Information

Das Schreibzentrum ist bestrebt, ein Writing Fellow-Programm für die Friedrich-Schiller-Universität    Jena zu entwickeln. Erste Erfahrungen haben wir im Rahmen des Projekts "Das Laboratorium der     Objekte" zwischen 2013 und 2015 gesammelt. Ein weiteres Pilotprojekt fand in Kooperation mit       dem Historischen Seminar statt.

Lehrende, die Interesse an diesem Lehrformat haben, können sich gerne an den Leiter des Schreibzentrums wenden.

  • Die Grundidee

    Die Schreib- und Lesekompetenzen vieler Studienanfänger*innen nehmen ab – diese Erfah­rung machen viele Kolleginnen und Kollegen in der Lehre. Um die Lese- und Schreib­kompetenz der Studierenden zu steigern und die spezifischen Anforderungen des wissenschaftlichen Schreibens zu vermitteln und zu vertiefen, wollen wir ein Pro­gramm zur schreibintensiven Lehre starten, das auf dem Modell der Writing Fellows beruht. Ziel ist es, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, der aus zent­ralen Mitteln ein solches Programm ermöglicht.

    Das Writing Fellow-Programm stammt aus der Schreibdidaktik in den USA und wurde bisher erst an ganz wenigen deutschen Universitäten ausprobiert. Die Grund­idee besteht darin, Lehrenden, die ein schreibintensives Seminar anbieten, einen studentischen, speziell geschulten Writing Fellow zur Seite zu stellen, der ihn in der Korrektur der zu schreibenden Texte unterstützt und den Studierenden gegenüber als Vermittler nach dem Peer-Prinzip auf­tritt. Eine zentrale Aufgabe besteht da­rin, mit den Studierenden in individuellen Gesprächen über ihre Texte zu sprechen und Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten. Diese direkte Ansprache sowie der Aufwand, dass ihre Texte sowohl von dem Writing Fellow als auch von der Seminar­leitung korrigiert und kommentiert werden, wirkt motivierend und stimulie­rend auf die Studierenden. Sie erleben, wie ihre Texte ernst genommen werden und wie ge­mein­sam an ihren Texten gearbeitet wird. Zudem erfahren sie darüber Schreiben als Arbeit am Text.

    Das Writing Fellow-Programm integriert zudem die Vermittlung der Kompe­tenz, wissenschaftlich zu schreiben, in die jeweilige Disziplin. Durch das Zusammen­wirkten von Seminarleitung, Writing Fellow und Schreibzentrum verbinden sich allge­meine schreibdidaktische Aspekte und fachspezifische Anforderungen.

    Die Writing Fellows werden durch das Schreibzentrum geschult und in ihrer Arbeit, zusam­men mit der jeweiligen Seminarleitung betreut. Die Schulung erfolgt durch eine eigenständige Lehrveranstaltung, die in die Schreibprozessforschung und Schreibdidaktik einführt und einmal im Jahr an­geboten wird. Der Besuch des Semi­nars ist die Voraussetzung, um im Anschluss für ein oder im Idealfall mehrere Semester als Writing Fellow zu arbeiten. Die Lehrveranstaltung wird inner­halb der Philo­sophischen Fakultät im ASQ-Bereich angeboten und ist dort bereits als eigenes Modul etabliert (Wissenschaftliches Schreiben, verwaltet vom Institut für germanisti­sche Literatur­wissen­schaft).

    In einer ersten Phase steht das Projekt allen interessierten Fächern der Philo­sophischen Fakultät offen. Großes Potential des Writing Fellow-Programms sehen wir zudem für die Erziehungswissenschaften, weshalb wir in einer zweiten Phase auch die Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften einbeziehen wollen. Denn sowohl der Besuch eines Seminars zur Schreibforschung und -didaktik als auch eine Tätigkeit als Writing Fellow würden diejenigen in hervorragender Weise prädestinie­ren, in ihrer späteren Lehrtätigkeit selbst schreibintensiv zu unterrichten. Das betrifft die zukünftigen Gymnasiallehrer*innen in besonderem Maße. Denn in Thüringen ist das An­leiten und Begleiten der Seminarfacharbeit zu einem eigenen Fach er­hoben worden. Dadurch sind Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Fach unterrichten, heraus­gefordert, den Prozess, den jedes Schreibprojekt notwendig zu vollziehen hat, angemessen zu veranschaulichen und zu erklären und den Schülerinnen und Schülern entsprechende Hilfe­stellungen zu geben. Viele, die heute dieses Fach übernehmen (müssen), stellt diese Aufgabe vor große Probleme. Peter Braun wurde als Leiter des Schreib­zentrums bereits von mehreren Gymnasien in Thüringen um Hilfe gebeten.

  • Pilotprojekt am Historischen Seminar

    Der „Schreib- und Lektürekurs“ im Orien­tierungs­modul

    Am Historischen Institut ist vor kurzem ein „Schreib- und Lektürekurs“ im Orientierungsmodul etabliert worden, der für alle Stu­dierenden verpflichtend ist und im 1. bis 3. Semester absolviert werden kann. Diesen hat Prof. Dr. Carola Dietze genutzt, um das Writing Fellow-Programm auszuprobieren. In Kooperation mit Dr. habil. Peter Braun und einem Writing Fellow wurde es angeboten, wobei das Format thematisch offen ist, so dass das hier gewählte Thema – die Revolutionen von 1848/49 – sich in ande­ren Disziplinen leicht durch andere Themen ersetzen ließe.

    Hinsichtlich des Ablaufs und des Inhalts der Veranstaltung sind der konseku­tive Auf­bau, die enge Verzahnung der Vermittlung von Kernkompe­tenzen wissen­schaft­lichen Denkens, Schreibens und Lesens mit der Vermittlung zentraler historischer Kon­zepte, Begriffe und Inhalte sowie das spielerische Einüben der Grundbegriffe wissenschaft­licher Argumentation von zentraler Bedeutung. Hinzu kommt die individuelle Betreuung der Semi­narteilnehmer und -teilnehmerinnen durch die Seminarleitung, den Writing Fellow und den Lei­ter des Schreibzentrums. Diese In­dividualität der Betreuung zeigt sich in der intensiven Kor­rektur dreier Texte (des Ein­gangstextes, der Buchzusammenfassung und der Argumentations­analyse) sowie in den obligatorischen individuellen Sprechstunden, in denen eine Bespre­chung der Texte und Korrekturen sowie der Schreiberfahrung stattfindet.

    Über einen Eingangstext zu der Frage, „Was weiß ich über die Revolutionen von 1848 – und welche Frage(n) möchte ich beantworten, um dieses Ereignis besser zu ver­stehen?“ werden die Studierenden, die in der Mehrzahl im ersten Semester sind, wenn sie den Kurs belegen, bei ihrem Stand bezüglich ihrer Schreibkompetenzen und ihres in Schule und Elternhaus er­worbenen Wissens zur Revolution von 1848/49 abgeholt.

    Im Verlaufe des Semesters entwi­ckeln die Studierenden dann schrittweise und für sie selbst erkennbar ihre Kompetenzen im Bereich des wissenschaftlichen Schrei­bens und Lesens sowie ihr Wissen und ihr Verständnis eines bedeutsamen histori­schen Gegenstands, hier der Revolutionen von 1848/49. Diese Ent­wicklung verläuft über die Lektüre ausgewählter metho­discher Texte zu Fragen des wissenschaftlichen Lesens und Schreibens sowie über die Lek­türe geschichtswissenschaftlicher Texte zur Revolution von 1848/49 aus unterschiedlichen Perspektiven.

    In diesem Entwicklungsprozess werden die Studierenden von einem Schreib­tutor oder einer Schreibtutorin nach dem Vorbild des Writing Fellow-Programms indivi­duell beglei­tet. Durch die persönlichen Gespräche kann der Writing Fellow wie auch die Seminar­leitung auf die konkreten Fragen und Probleme der jeweiligen Studentin bzw. des jeweiligen Studen­ten eingehen und damit die erheblichen Unterschiede in den Voraussetzungen, die sie jeweils mitbringen, berücksichtigen und ausgleichen.  Dies geschieht nicht zuletzt in dem An­spruch, das Prinzip der demokratischen Chancengleichheit an den Universitäten zu erhalten bzw. zu stärken.