Das Schreibzentrum ist bestrebt, ein Writing Fellow-Programm für die Friedrich-Schiller-Universität Jena zu entwickeln. Erste Erfahrungen haben wir im Rahmen des Projekts "Das Laboratorium der Objekte" zwischen 2013 und 2015 gesammelt. Ein weiteres Pilotprojekt fand in Kooperation mit dem Historischen Seminar statt.
Lehrende, die Interesse an diesem Lehrformat haben, können sich gerne an den Leiter des Schreibzentrums wenden.
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Die Grundidee
Die Schreib- und Lesekompetenzen vieler Studienanfänger*innen nehmen ab – diese Erfahrung machen viele Kolleginnen und Kollegen in der Lehre. Um die Lese- und Schreibkompetenz der Studierenden zu steigern und die spezifischen Anforderungen des wissenschaftlichen Schreibens zu vermitteln und zu vertiefen, wollen wir ein Programm zur schreibintensiven Lehre starten, das auf dem Modell der Writing Fellows beruht. Ziel ist es, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, der aus zentralen Mitteln ein solches Programm ermöglicht.
Das Writing Fellow-Programm stammt aus der Schreibdidaktik in den USA und wurde bisher erst an ganz wenigen deutschen Universitäten ausprobiert. Die Grundidee besteht darin, Lehrenden, die ein schreibintensives Seminar anbieten, einen studentischen, speziell geschulten Writing Fellow zur Seite zu stellen, der ihn in der Korrektur der zu schreibenden Texte unterstützt und den Studierenden gegenüber als Vermittler nach dem Peer-Prinzip auftritt. Eine zentrale Aufgabe besteht darin, mit den Studierenden in individuellen Gesprächen über ihre Texte zu sprechen und Vorschläge zur Verbesserung zu unterbreiten. Diese direkte Ansprache sowie der Aufwand, dass ihre Texte sowohl von dem Writing Fellow als auch von der Seminarleitung korrigiert und kommentiert werden, wirkt motivierend und stimulierend auf die Studierenden. Sie erleben, wie ihre Texte ernst genommen werden und wie gemeinsam an ihren Texten gearbeitet wird. Zudem erfahren sie darüber Schreiben als Arbeit am Text.
Das Writing Fellow-Programm integriert zudem die Vermittlung der Kompetenz, wissenschaftlich zu schreiben, in die jeweilige Disziplin. Durch das Zusammenwirkten von Seminarleitung, Writing Fellow und Schreibzentrum verbinden sich allgemeine schreibdidaktische Aspekte und fachspezifische Anforderungen.
Die Writing Fellows werden durch das Schreibzentrum geschult und in ihrer Arbeit, zusammen mit der jeweiligen Seminarleitung betreut. Die Schulung erfolgt durch eine eigenständige Lehrveranstaltung, die in die Schreibprozessforschung und Schreibdidaktik einführt und einmal im Jahr angeboten wird. Der Besuch des Seminars ist die Voraussetzung, um im Anschluss für ein oder im Idealfall mehrere Semester als Writing Fellow zu arbeiten. Die Lehrveranstaltung wird innerhalb der Philosophischen Fakultät im ASQ-Bereich angeboten und ist dort bereits als eigenes Modul etabliert (Wissenschaftliches Schreiben, verwaltet vom Institut für germanistische Literaturwissenschaft).
In einer ersten Phase steht das Projekt allen interessierten Fächern der Philosophischen Fakultät offen. Großes Potential des Writing Fellow-Programms sehen wir zudem für die Erziehungswissenschaften, weshalb wir in einer zweiten Phase auch die Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften einbeziehen wollen. Denn sowohl der Besuch eines Seminars zur Schreibforschung und -didaktik als auch eine Tätigkeit als Writing Fellow würden diejenigen in hervorragender Weise prädestinieren, in ihrer späteren Lehrtätigkeit selbst schreibintensiv zu unterrichten. Das betrifft die zukünftigen Gymnasiallehrer*innen in besonderem Maße. Denn in Thüringen ist das Anleiten und Begleiten der Seminarfacharbeit zu einem eigenen Fach erhoben worden. Dadurch sind Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Fach unterrichten, herausgefordert, den Prozess, den jedes Schreibprojekt notwendig zu vollziehen hat, angemessen zu veranschaulichen und zu erklären und den Schülerinnen und Schülern entsprechende Hilfestellungen zu geben. Viele, die heute dieses Fach übernehmen (müssen), stellt diese Aufgabe vor große Probleme. Peter Braun wurde als Leiter des Schreibzentrums bereits von mehreren Gymnasien in Thüringen um Hilfe gebeten.
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Pilotprojekt am Historischen Seminar
Der „Schreib- und Lektürekurs“ im Orientierungsmodul
Am Historischen Institut ist vor kurzem ein „Schreib- und Lektürekurs“ im Orientierungsmodul etabliert worden, der für alle Studierenden verpflichtend ist und im 1. bis 3. Semester absolviert werden kann. Diesen hat Prof. Dr. Carola Dietze genutzt, um das Writing Fellow-Programm auszuprobieren. In Kooperation mit Dr. habil. Peter Braun und einem Writing Fellow wurde es angeboten, wobei das Format thematisch offen ist, so dass das hier gewählte Thema – die Revolutionen von 1848/49 – sich in anderen Disziplinen leicht durch andere Themen ersetzen ließe.
Hinsichtlich des Ablaufs und des Inhalts der Veranstaltung sind der konsekutive Aufbau, die enge Verzahnung der Vermittlung von Kernkompetenzen wissenschaftlichen Denkens, Schreibens und Lesens mit der Vermittlung zentraler historischer Konzepte, Begriffe und Inhalte sowie das spielerische Einüben der Grundbegriffe wissenschaftlicher Argumentation von zentraler Bedeutung. Hinzu kommt die individuelle Betreuung der Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen durch die Seminarleitung, den Writing Fellow und den Leiter des Schreibzentrums. Diese Individualität der Betreuung zeigt sich in der intensiven Korrektur dreier Texte (des Eingangstextes, der Buchzusammenfassung und der Argumentationsanalyse) sowie in den obligatorischen individuellen Sprechstunden, in denen eine Besprechung der Texte und Korrekturen sowie der Schreiberfahrung stattfindet.
Über einen Eingangstext zu der Frage, „Was weiß ich über die Revolutionen von 1848 – und welche Frage(n) möchte ich beantworten, um dieses Ereignis besser zu verstehen?“ werden die Studierenden, die in der Mehrzahl im ersten Semester sind, wenn sie den Kurs belegen, bei ihrem Stand bezüglich ihrer Schreibkompetenzen und ihres in Schule und Elternhaus erworbenen Wissens zur Revolution von 1848/49 abgeholt.
Im Verlaufe des Semesters entwickeln die Studierenden dann schrittweise und für sie selbst erkennbar ihre Kompetenzen im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens und Lesens sowie ihr Wissen und ihr Verständnis eines bedeutsamen historischen Gegenstands, hier der Revolutionen von 1848/49. Diese Entwicklung verläuft über die Lektüre ausgewählter methodischer Texte zu Fragen des wissenschaftlichen Lesens und Schreibens sowie über die Lektüre geschichtswissenschaftlicher Texte zur Revolution von 1848/49 aus unterschiedlichen Perspektiven.
In diesem Entwicklungsprozess werden die Studierenden von einem Schreibtutor oder einer Schreibtutorin nach dem Vorbild des Writing Fellow-Programms individuell begleitet. Durch die persönlichen Gespräche kann der Writing Fellow wie auch die Seminarleitung auf die konkreten Fragen und Probleme der jeweiligen Studentin bzw. des jeweiligen Studenten eingehen und damit die erheblichen Unterschiede in den Voraussetzungen, die sie jeweils mitbringen, berücksichtigen und ausgleichen. Dies geschieht nicht zuletzt in dem Anspruch, das Prinzip der demokratischen Chancengleichheit an den Universitäten zu erhalten bzw. zu stärken.